Beststeller-Autor, Podcaster und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Volker Busch im Gespräch mit Markus Tirok

Markus Tirok im Interview mit Prof Dr Volker Busch
Markus Tirok Portrait

Von Markus Tirok

Markus Tirok ist Moderator, Medientrainer und Podcaster. Er bereitet Einzelpersonen und Unternehmen auf ihre medialen Auftritte vor – von Fernsehauftritte bis zum Podcastinterview. Er berät Unternehmen in strategischen Medienfragen und unterstützt Solopreneure im Audio- und Video-Contentmarketing.

5. Januar 2024

Teil 1: Von Zielen, Zielerreichung und Zielbetäubung zum Jahresbeginn 2024

Ein Interview zum Jahresbeginn über gute Ziele, Vorsätze und wie wir wirklich ins Handeln kommen

Zum Jahresbeginn gibt es keinen besseren Zeitpunkt für deine Inspiration und frische Perspektiven.

In meinem neuesten Blogartikel teile ich ein tiefgründiges Gespräch mit Prof. Dr. Volker Busch, das dich in die Welt der Neujahrsvorsätze, Willenskraft und Zielsetzung entführt.

Als Interviewer stelle ich Fragen, die uns allen am Herzen liegen: Warum scheiterst du so oft an deinen guten Vorsätzen? Was sind die psychologischen Fallstricke bei der Umsetzung deiner Ziele?

Die Antworten von Prof. Busch sind nicht nur aufschlussreich, sondern auch ungemein praxisnah und mit zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauert.

Wenn du also auf der Suche nach Motivation und Strategien bist, um deine Ziele für das neue Jahr zu erreichen, dann ist dieses Interview ein Muss. Tauche mit mir in die faszinierende Welt der Neurowissenschaft ein und entdecke, wie du dieses Jahr deine Vorsätze wirklich in die Tat umsetzen kannst.


Prof. Dr. Volker Busch, seit fast zwei Jahrzehnten aktiv, vereint seine Rollen als Arzt, Wissenschaftler, Autor und Redner mit seiner Leidenschaft für die Neurowissenschaft. Er führt eine Forschungsgruppe an der Universität Regensburg, konzentriert sich auf die Verbindungen zwischen Stress, Schmerz und Emotionen und bietet therapeutische Unterstützung. Parallel dazu vermittelt er sein Wissen durch Vorträge, Seminare und Publikationen, um anderen zu Gehirngesundheit und Motivation zu verhelfen, wobei er eine besondere Synthese aus Theorie und Praxis schafft.

Er ist Podcaster mit „Gehirn gehört“ und Spiegel-Bestseller-Autor.

Foto: Oliver Betke


Silvester ist kein schlechter Zeitpunkt für gute Vorsätze

Markus Tirok Prof. Busch, ich sehe mich schon in der Silvesternacht große und sehr konkrete Pläne für das kommende Jahr schmieden: mehr Sport, gesünder Essen, weniger arbeiten und mehr Ruhephasen – um mal meine Top 4 zu nennen. Wie beurteilen Sie als Wissenschaftler meine Chancen, dass ich diese Ziele überhaupt erreiche?

Prof. Busch Ich weiß nicht, ob Sie wirklich abnehmen müssten, aber viele formulieren das in der Tat als Wunsch. 

Das Abnehmen gehört immer noch unter die Top 10 der häufig genannten Wünsche, also weniger zu essen und sich gesünder zu ernähren und mehr Sport zu treiben. 

In der Tat liegt ein häufiger Fehler darin, anzunehmen, dass man so viele Ziele auf einmal schaffen kann. 

Das ist der häufigste Grund, warum Neujahrsvorsätze misslingen, weil man sich zu viel vornimmt und man dann Mitte Januar merkt,  die Kraft und die Disziplin reichen gar nicht für so viele Vorhaben. Also besser wäre es, sich auf ein Ziel, maximal zwei Ziele zu konzentriert und  die mit ganzer Kraft verfolgt, anstatt zehn Stück parallel.

Markus Tirok Eine Studie zu Neujahrsvorsätze mit über 200 Probanden hat ernüchternde Erkenntnisse geliefert: Eine Woche nach Neujahr versuchten noch 97 Prozent ihre Vorsätze umzusetzen,  nach einem Monat nur 50 Prozent. 

Insgesamt haben 92 Prozent ihre Ziele nicht erreicht.

Prof. Busch Das ist sehr frustrierend. Das liegt gar nicht daran, dass das alles Schwachsinn ist, was wir uns überlegen. 

Aber wenn wir die Ziele zu hoch stecken sind oder wenn es zu viele  auf einmal sind, dann merken wir, dass wir es nicht schaffen. 

Willenskraft und Disziplin sind ganz erschöpfliche Ressourcen im menschlichen Gehirn. 

Wir können zwar sehr diszipliniert sein, uns etwas vornehmen und das mit sehr viel Kraft erreichen. 

Aber diese Kraft ist schnell aufgebraucht. 

Wenn wir im Alltag sehr viel Stress haben, wenn wir unsere Willenskraft für viele andere Dinge im Alltag verwenden, dann steht sie uns oft am Abend nicht mehr zur Verfügung – für unsere eigentlichen Ziele. 

Und dann kommt es dazu, dass wir wieder in alte Verhaltensmuster zurück kippen und dann ist die Diät oder was auch immer ganz schnell hinfällig.

Markus Tirok Ist denn Silvester ein wirklich schlechter Zeitpunkt, sich Ziele zu setzen?

Prof. Busch Nein, das ist in der Tat kein schlechter Zeitpunkt. 

Es wird oft so kolportiert, dass man sagt ‚Ach, immer die Silvester-Vorsätze.‘ Das stimmt wissenschaftlich aber nicht ganz. Denn es gibt  eine Untersuchung, die gezeigt hat, dass es clever ist, sich bestimmte Tage zu nehmen, an denen man beschließt, sein Verhalten zu ändern. 

Das muss jetzt übrigens nicht der erste Januar sein. Das kann auch ein anderes Datum sein, was für einen, eine persönliche Bedeutung hat. 

Aber prinzipiell aus den 365 Tagen bestimmte Tage zu selektieren, die einen gewissen Impact haben, ist sinnvoll, weil unser Gehirn das dann mit etwas Besonderem assoziiert. 

Sollten  wir es dann nicht schaffen, dann reden wir uns ein, müssen wir wieder ein Jahr auf diesen besonderen Tag warten. Das wollen wir natürlich vermeiden. 

Deswegen stimmt es, binden uns ausgesuchte Tage an unser Verhalten. 

Es ist also durchaus sinnvoll, dies zu nutzen.

Das Phänomen der Zielbetäubung

Es kann dazu führen, dass wir das Glück in dem Moment so stark empfinden, dass es sich kaum noch lohnt, überhaupt ins Tun zu kommen.

Prof. Dr. Volker Busch
Prof Dr Volker Busch

Markus Tirok Ich möchte heute mit Ihnen über ein Phänomen sprechen, dass ich selbst in diesem Jahr erlebt habe. 

Ich hatte ein großes Vorhaben, es ging um die Produktion eines großen Onlinekurses. Ich erstellte auf einem Zeichenblock einen komplexen Plan, mit allem Pipapo. 

Mein Masterplan: unterschiedlichen Farben, Zeitstrahlen, Symbolen, Zielbilder.  

Ich fühlte mich so richtig wie ein Architekt meiner Pläne. 

Ich war begeistert, hochmotiviert.

Um dann sechs Wochen später festzustellen, ich habe nichts davon umgesetzt. 

Das hat mich sehr irritiert, da ich von mir behaupten würde, ich bin ein grundsätzlich Umsetzer.

Aber hier ist es mir nicht geglückt.

Was ist passiert? 

Prof. Busch Also kurzfristig hatte ich das Gefühl, Sie reden aus meinem Leben. 

Wir kennen das alle, dass wir ein Ziel haben, das wir uns wirklich wünschen und das wir auch konkret vorbereitet haben. 

Und dann kommen wir nicht ins Tun, weil der erste Schritt unterbleibt. 

„Der erste Schritt überwindet immer die größte Distanz zu einem Ziel.“

Es gibt so eine schöne Redensart, die besagt „Der erste Schritt überwindet immer die größte Distanz zu einem Ziel.“ 

Dieser erste Schritt ist deswegen wichtig, weil wir in Aufbruchstimmung kommen. 

Unser Gehirn empfindet Erfolg und damit auch Zuversicht oder Mut immer aus dem Handeln, niemals aus dem gedanklichen Vorbereiten. Das ist durchaus wichtig. 

Ein Plan hat eine immense Bedeutung. 

Also sich kopflos in was rein zu stürzen ist genauso falsch. Pläne sind extrem wichtig. 

Aber das Gefühl „Mensch, wir haben was geschafft und wir sind auf dem richtigen Weg“, das geht nur durch das Tun, durch das Machen. Deswegen ist der erste Schritt unverzichtbar. 

Und es ist wichtig, dass er relativ früh kommt, damit wir ins Handeln kommen. 

Denn dann erleben wir, wir sind auf dem richtigen Weg oder auch nicht.

Dann können wir den Kurs noch mal korrigieren. 

Aber wir sind in der Aktivität und das gibt uns Mut weiterzumachen.

Markus Tirok Prof. Busch, Sie haben den Begriff Zielbetäubung geprägt.

Dadurch, dass ich mir so viele Gedanken gemacht habe, dass ich den Plan so großartig aufgemalt habe, bin ich in eine Art Zielkoma gefallen. 

Ich kam eben nicht mehr ins Handeln. Ist das eine typische Gefahr?

Prof. Busch Sie ist häufig. 

Wir beobachten sie bei uns allen –  ich bei meinen Klienten, manchmal auch bei mir selber. 

Wenn wir etwas planen, akribisch möglicherweise, anderen davon erzählen, irgendwas aufschreiben, aufzeichnen, im Kalender organisieren, dann hat das für unser Gehirn schon ein gewisses Belohnungsgefühl.

Dieses Belohnungsgefühl kann sehr stark sein. 

Das kann uns regelrecht betäuben.

Es kann dazu führen, dass wir das Glück in dem Moment so stark empfinden, dass es sich kaum noch lohnt, überhaupt ins Tun zu kommen. Denn man hat ja die Belohnung schon im unmittelbaren Moment. 

Also klassisches Beispiel von mir selber: Als Student habe ich  häufig viel zu spät angefangen, für eine Prüfung zu lernen. Dann hat es mein Gewissen total beruhigt, wenn ich ein Wochenende lang nur einen Lernplan gemacht habe. Also wann fange ich mit Anatomie an, wann kommt Biochemie etc. Dieser Plan hat mich total befriedigt und ich hatte am Ende des Tages das Gefühl, wirklich etwas geschafft zu haben.

Das war natürlich eine totale Illusion, weil ich ja keinen einzigen Schritt weitergekommen bin mit dem Lernstoff selber. 

Aber es hat mich beruhigt und ich habe dann anderen davon ganz stolz in der Kneipe erzählt, dass ich heute einen Lernplan gemacht habe, der wäre sehr, sehr gut und geradezu genial. 

Es hat mich manchmal so betäubt, dass ich mir am anderen Tag erst mal eine Auszeit gegönnt habe, die ich eigentlich nicht verdient habe.

Und das beobachte ich als Psychiater heutzutage auch bei vielen meiner Klienten, die z.B. eine Diät planen, sich ein Kochbuch kaufen oder sich im Fitnessstudio anmelden, Kurse angucken und sich einen Trainingsplan schreiben, aber die irgendwie noch keinen Kilo verloren haben, die auch ihre Ernährung  nicht umstellen und dennoch ganz stolz sind, dass sie das jetzt geplant haben, davon anderen erzählen, aber trotzdem nicht weiterkommen. 

Man muss sich mit den Dingen beschäftigen. 

Nur durchs Machen erreichen wir was. 

Also lange Rede, kurzer Sinn: Wir alle kennen Zielbetäubung, die dadurch entsteht, dass wir uns gedanklich viel mit etwas beschäftigen, viel planen und das uns so einlullt und so belohnt, dass wir nicht ins Tun kommen.

Markus Tirok Ist es eine Art Überplanung?

Prof Busch Ja und ein Zeichen davon, dass wir uns gedanklich viel mit etwas beschäftigen. So viel, dass wir immer mehr denken, zerdenken, bedenken – aber nicht ins Machen kommen. 

Ich versuche meinen Klienten hier zu unterstützen: Plane, was du vorhast. Aber komm schnell ins Tun. Selbst wenn der erste Schritt nicht der größte ist.  Komm ins Handeln. Fang direkt an. Am besten jetzt sofort. 

Markus Tirok Warum ist der erste Schritt die größte Herausforderung?

Prof. Busch Sich zu bewegen bedeutet immer, eine Aktivierungsenergie in Gang zu setzen. Die erfordert, dass wir etwas an unserer Bequemlichkeit aufgeben. 

Also sprichwörtlich, aus der Komfortzone rauszukommen. 

Ein Lernplan zu schreiben bedeutet noch nicht aus der Komfortzone rauszukommen. Das ist die Schwierigkeit.

Markus Tirok im Podcastinterview

Ist es ein Kampf zwischen Mut und Angst?


Markus Tirok Geht es dabei auch um Mut? Dass wir Angst haben, es nicht zu schaffen? Bevor ich feststelle, dass ich es gar nicht schaffe, lasse ich es doch lieber von Beginn an.

Prof. Busch  Einmal ist es sicherlich die Bequemlichkeit, die Faulheit könnte man auch etwas härter formulieren. 

Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier und mag natürlich mit wenig Energie viel Effekt erzeugen. 

Deswegen neigen wir dazu, im Alltag mit möglichst wenig Veränderung auszukommen. 

Deswegen tendieren wir immer wieder dazu, die Dinge so zu machen wie immer. Also Bequemlichkeit, Faulheit, Gewohnheiten ist ein Grund. 

Ein anderer Grund können Ängste sein. Also emotionale Beweggründe, dass wir uns nicht trauen, in eine Richtung zu gehen oder dass wir uns unsicher sind, ob der neue, eingeschlagene Weg auch wirklich der richtige ist.Oder schlichtweg eine Ambivalenz. 

Aus dem Lateinischen heißt es übersetzt, dass zwei Dinge gleich viel wert sind. 

Das eine ist uns vielleicht gar nicht bewusst, aber das hält uns davon ab, einen Weg zu gehen. 

Ein klassisches Beispiel: ein Patient ist starker Raucher. Er hustet viel. Er macht einen Lungenfunktionstest und es zeigt sich, dass die Lunge angegriffen ist. Es wäre also biologisch gesehen sinnvoll, wenn er das Rauchen reduziert oder am besten ganz damit aufhört.

Jetzt hat der Patient eine Ehepartnerin, die ihn total nervt, ihm die ganze Zeit in den Ohren hängt, er müsse aufhören zu rauchen. 

Dieser Patient kommt dann zu mir, weil die Partnerin es sich wünscht. 

Er sitzt dann bei mir, bekommt von mir eine Aufklärung über das Rauchen. Ich zeig ihm den Test, den wir gemacht haben, mache ein Labor, versuche ihn dafür zu gewinnen, mit dem Rauchen aufzuhören –  und er macht es nicht. 

Da muss ich mir als Psychiater anschauen, was könnte denn der Grund sein? 

Vielleicht ist es hier eine Ambivalenz. 

Er hat verstanden, dass Rauchen für die Lunge nicht sinnvoll ist.

Also ein guter Grund durchaus aufzuhören, er ist ja nicht dumm.

Aber da ist vielleicht unbewusst der Wunsch, nicht das tun zu wollen, was die Ehepartnerin von ihm verlangt. 

Das kann wirklich ein Grund sein im Sinne von„Ich möchte autonom bleiben. Ich möchte selbstständig sein. Ich lasse mir nicht das auch noch kaputt-reden.“ 

Es kann sein, dass man darauf bewusst gar keinen Zugriff hat.

Diese Ambivalenz, dieses Widerstreiten zweier Dinge im Gehirn, kann einen regelrecht lähmen und dazu führen, dass man nichts verändert – über Jahre lang. 

Wie kann nun die erfolgreiche Umsetzungs-Strategie aussehen?

Weil wir nur eine begrenzte Menge an Willenskraft zur Verfügung haben gehört am Anfang die sorgfältige Zielprüfung dazu.

Prof. Dr. Volker Busch

Markus Tirok Lassen Sie uns nach Strategien suchen, die uns vor dieser Zielbetäubung schützen. Also wie sehr plane ich? Wann muss ich anfangen? Wie muss ich weitermachen? Wie ist denn da die richtige Strategie, wenn es die überhaupt gibt?

Prof. Busch Der letzte Satz war, glaube ich, ein entscheidender. 

Die Strategie, die für alle gilt, gibt es nicht. 

Genauso gibt es kein Bewegungsprogramm, was für alle günstig ist. Eine Diät, die für alle passt.  

Man kann trotz allem ein paar Kriterien aufstellen, die für die meisten funktionieren. 

Womit ich sehr gerne arbeite, ist in der Zielprüfung am Anfang. 

Das heißt, ich gehe mit meinen Klienten durch, ob das Ziel wirklich etwas ist, für das sie brennen. 

Heute beobachten wir, dass wir nicht zu wenige Ziele haben, sondern die meisten von uns viel zu viele Ziele. 

Wir nehmen uns viel zu viele Dinge vor, weil wir umringt sind von Möglichkeiten, Optionen, die uns andere vorleben. In dieser sozial sehr transparent gewordenen Welt, Stichwort Digitalisierung, kriegen wir ständig vorgelebt, was andere alles können, erreichen, gemacht haben. Das setzt sich bei uns natürlich auch in Form von unbewussten Wünschen fest. Aber wenn man im Kopf den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht und man hat tausend Ziele, dann erreicht man nichts.

Weil wir nur eine begrenzte Menge an Willenskraft zur Verfügung haben gehört am Anfang die sorgfältige Zielprüfung dazu. Sich zu überlegen „Was ist mir wirklich wichtig und was sind vielleicht nur Ziele, die mir hier ein anderer ins Ohr hustet, die ich irgendwo gelesen habe, aber die ich eigentlich im Herzen gar nicht will?“ 

Das ist nicht demotivierend, sondern die Grundvoraussetzung, dass man die Ziele selektiert, die einem wirklich wichtig sind.

Die meisten widmen sich dieser Sache nicht, weil sie es als vertane Zeit empfinden, weil es anstrengend ist und in der Tat ja auch Zeit kostet.

Aber das ist zu Beginn wahnsinnig wichtig, weil es sonst dazu führt, dass ich mich in alles rein stürze und am Schluss enttäuscht von mir selbst bin, weil ich es wieder einmal nicht geschafft habe. 

Diese Enttäuschungserlebnisse, die machen es mir beim nächsten Mal umso schwerer. 

Das versuche ich zu vermeiden. 

Ich möchte, dass Leute nicht enttäuscht sind von sich, sondern Erfolgserlebnisse haben. 

Markus Tirok: Wie finde ich raus, ob ein Ziel, ein Wunsch mir wirklich wichtig ist?

Prof. Busch Da gibt’s einen schönen Trickt, eine psychotherapeutische Technik.

Die Frage nach der Fee in der Nacht. 

Ich frage dann, möglichst beiläufig, wenn Ihnen in der Nacht eine Fee erscheinen würde und sie würde sagen, Sie hätten drei Wünsche frei. Was würden Sie sich wünschen? 

Häufig sind die Klienten ganz irritiert und wissen gar nicht, was sie sagen sollen. Wenn dann der Wunsch oder das Ziel nicht unter den ersten drei ist, dann kann man es von vornherein schon vergessen.

Das ist eine sogenannte implizite Fragetechnik, bei der ich die unbewussten Wünsche eines Menschen anspreche. 

Man kann es auch mit fünf Wünschen machen. Aber wenn es nicht unter den ersten fünf Wünschen ist, dann kann man davon ausgehen, dass die statistische Wahrscheinlichkeit gering ist, die Kraft dafür aufzubringen, das Ziel umzusetzen. 

Eine andere schöne Fragetechnik, auch ein kleiner Trick, ist denjenigen zu bitten, zu sagen, wie viel Geld man bereit wäre, für das Ziel auszugeben, wenn man sich das Ziel jetzt kaufen könnte. 

Also jemand hat beispielsweise vor, 10 Kilo abzuspecken oder hat vor mit dem Rauchen aufzuhören oder eine Prüfungen zu bestehen. Wenn jemand sagt „Ja, ich habe nur bisschen Kleingeld dabei“, dann ist das eine andere Aussage, als wenn jemand sagt „Wissen Sie was, Herr Busch, wenn ich diesen Wunsch mir kaufen könnte, ich sage es Ihnen, ich würde Ihnen meine nächsten drei Monatsgehälter sofort überweisen.“ Das sagt sehr viel über den Menschen aus. 

Für mich als Therapeut ist es eine wichtige Information, wie motiviert jemand ist. 

Wir müssen unseren Körper, unser Gehirn wahnsinnig überlisten. 

Das geht nur mit einem sehr klugen Plan. Der muss sehr detailliert sein und der muss konkrete Handlungsanweisungen für den Alltag bereitstellen.

Prof. Dr. Volker Busch

Markus Tirok Nachdem ich das Ziel überprüft und für umsetzungs-wichtig eingestuft habe – wie geht es weiter?

Prof. Busch Der zweite Punkt ist tatsächlich die Planung. 

Sich kopflos in etwas reinzustürzen wie „ich mache mehr Sport“ oder „ich ernähre mich besser“, ist praktisch immer zum Scheitern verurteilt. Denn unser Gehirn braucht konkrete Vorstellungen von etwas. 

Einfach so 10 Kilo zu verlieren, das ist ja nicht natürlich. 

Denn wir müssen unseren Körper, unser Gehirn wahnsinnig überlisten. 

Das geht nur mit einem sehr klugen Plan. Der muss sehr detailliert sein und der muss konkrete Handlungsanweisungen für den Alltag bereitstellen. Nur dann können wir uns überhaupt aus dem gewohnten Fahrwasser entfernen und Dinge mal anders machen. Auch daran wird oft gespart, weil man denkt: „Ach, die Zeit habe ich nicht, Pläne zu machen, die Kraft. Es geht auch irgendwie so, aber es geht eben nicht.

Markus Tirok Aber besteht nicht gleich wieder die Gefahr der Zielbetäubung?

Prof. Busch Nein – eine Planung, muss schon da sein, das ist ganz klar. 

Aber die Planung muss irgendwann abgeschlossen werden. 

Jetzt kommen wir zum dritten Punkt. 

Dann ist der erste Schritt ins Handeln kommen das Entscheidende. 

Es soll nicht ohne Plan sein, aber man darf sich nicht im Plan verlieren oder man darf sich nicht im Planen erschöpfen. 

Es muss eine vorbereitende Funktion haben, die ist ganz wichtig, aber danach ins schnelle Tun kommen. 

Bei dem ersten Schritt, den wir eben besprochen haben, ist es wichtig, sich auch immer wieder ein Feedback zu geben und eventuell Pläne auch noch mal zu ändern, weil man merkt „Oh, das war hier nicht sorgfältig ausgestaltet“, hier muss man vielleicht auch mal eine andere Richtung gehen. 

Das ist in Ordnung. Pläne dürfen verändert werden, aber sie dürfen einen nicht davon abhalten, ins ins Tun zu kommen. 

Ich habe mal eine sehr schöne Bekanntschaft gemacht.

Ein total netter Mann, er ist ein Seemann gewesen. Er war zweimal bei mir und wir sprachen über bestimmte Dinge. Ich erzählte ihm davon, wie wichtig es ist, nach einem Plan relativ schnell den ersten Schritt zu machen. Dann sagte er zu mir einen schönen Satz und den habe ich bis heute nicht vergessen: „Wissen Sie, Herr Busch, das ist bei uns auf der See auch so. Bei uns gibt es so eine Redensart ‚Schnell raus aufs Meer‘. Den Kurs korrigieren kann man immer noch.“ 

Finde ich einen wahnsinnig schönen Satz. Den habe ich nicht vergessen, weil er nicht eine wissenschaftliche Begründung gibt, sondern eine aus dem Leben. 

Das finde ich halt immer besonders charmant. Es ist wichtig, wenn man Seemann ist und was fangen will, raus aufs Meer zu fahren. Man kann dann immer noch den Kurs korrigieren. 

Aber der erste Schritt ist wichtig.

Markus Tirok: Vielen Dank für das Interview, Herr Prof. Busch.

In Teil 2 des Interview mit Prof. Dr. Volker Busch geht es darum, warum Langeweile aufregender und ergebnisschaffender ist, als wir annehmen.


Der Spiegel Bestseller – Buch „Kopf frei“

Im März 2024 erscheint ein neues Werk von Prof. Dr. Volker Busch: Buch „Kopf hoch“

Podcast „Gehirn gehört – Der Psycho Podcast der Wissen schafft“ von und mit Prof. Dr. Volker Busch“


Das gesamte Interview gibt es auch als Podcast-Epsiode.

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